Bereits kurze Zeit nach ihrer sensationellen Entdeckung durch Wilhelm Conrad RÖNTGEN (1845-1923) im Jahre 1895 wurde in Berlin eine wissenschaftliche Vereinigung zur Anwendung und Weiterentwicklung der Röntgenstrahlen gegründet. Auf Initiative des Arztes Max IMMELMANN (1864-1923) fand am 18.3.1898 die konstituierende Sitzung der „Röntgen-Vereinigung zu Berlin“ statt. Sie ist damit die älteste radiologische Fachgesellschaft im deutschsprachigen Raum. Die Vereinigung versuchte alle, die „Röntgenkunde treiben und fördern wollen“, zusammenzufassen um die „durch die Röntgen’sche Entdeckung erschlossene Beobachtungsmethode“ wissenschaftlich zu vervollkommnen. Zum 1. Vorsitzenden wurde der Physiker und Abteilungsvorsteher am königlichen Militär-Versuchsamt in Berlin-Spandau Karl Walter WOLFF (1862-1908), gewählt. Max IMMELMANN übernahm das Amt des Schriftleiters und bis 1903 auch das des Kassenführers.
Die erste wissenschaftliche Sitzung fand am 4.4.1898 statt und wurde mit einem Grußtelegramm an W. C. RÖNTGEN geschlossen, der 1903 auch zum ersten Ehrenmitglied ernannt wurde. Die Sitzungen fanden ursprünglich im medico- mechanischen Institut von Max IMMELMANN, später im Langenbeck Virchow Haus und nach der Wahl von Walter FRIEDRICH zum 1. Vorsitzenden auch im Hörsaal seines Instituts für Strahlenforschung an der Berliner Universität statt.
Als Meilenstein in der Geschichte der Vereinigung ist die Organisation des Röntgenkongresses in Berlin im Jahre 1905 zu erwähnen, auf dem Max IMMELMANN den Festvortrag über „die Bedeutung der Röntgenstrahlen für die Medizin“ hielt. Anläßlich dieses Kongresses wurde unter Mitwirkung des Vorstandes der Röntgen-Vereinigung die „Deutsche Röntgengesellschaft“ gegründet.
Da sowohl die Vereinsunterlagen als auch die Vereinsregisterakten durch Kriegseinwirkungen zerstört wurden, können keine genauen Angaben über die Mitgliederzahl sowie die personelle Zusammensetzung der Vereinigung gemacht werden. Obwohl „Nicht-Ärzte“ des öfteren in den Vorstand gewählt wurden, dürfte es sich bei der überwiegenden Mehrheit der Mitglieder jedoch um Ärzte gehandelt haben. Für diese Annahme spricht auch, daß die meisten wissenschaftlichen Sitzungen bis 1933 medizinische Themen behandelten und nur ein knappes Drittel physikalisch-technischen Inhalten gewidmet war. Die Vereinigung verstand sich als wissenschaftliche Organisation und klammerte wirtschaftliche oder ärztliche Standesfragen, die später vom „Ärztlichen Verein für Strahlenkunde“ und dem „Wirtschaftlichen Röntgenverband“ aufgegriffen wurden, aus.
Die veränderte politische Situation 1 933 wirkte sich auch auf die Röntgen-Vereinigung aus und zwang verschiedene Mitglieder, wie z. B. den 1. Schriftführer Max COHN (1875-1938), zur Emigration. Durch den Erlaß zur Neuordnung des Vereinswesens wurden 1934 auch die wissenschaftlichen Gesellschaften gleichgeschaltet und nach dem Führerprinzip organisiert. Dies bedeutete, daß lokale Gesellschaften überregionalen, reichsweiten Organisationen als Ortsgruppen eingegliedert wurden. Im Zuge dieser Umorganisation wurde die „RöntgenVereinigung zu Berlin“aufgelöst.
An ihre Stelle trat die „Ortsgruppe Berlin der Deutschen Röntgengesellschaft“, die unter ihrem Vorsitzenden Artur PICKHAN am 20.11.1934 ihre erste wissenschaftliche Sitzung abhielt. „Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde im Rahmen eines generellen Vereinsverbotes auch die „Deutsche Röntgengesellschaft“ aufgelöst.“
Erste Impulse zu einer Neukonstituierung radiologischer Vereinigungen in Deutschland gingen 1946 von der Feier zum 60. Geburtstag von Prof. HOLTHUSEN in Bevensen aus und führten im Jahre 1949 zur Neugründung der „Deutschen Röntgengesellschaft“. Die spezifischen politischen Verhältnisse in Berlin wirkten sich auf die Neuorganisation von wissenschaftlichen Gesellschaften und ärztlichen Organisationen hinderlich aus. Erst 1950 wurde hier die „Vereinigung der Sozialversicherungsärzte Berlins (VSB)“ gegründet, in der sich schon kurze Zeit später die „Vereinigung Westberliner Röntgenfachärzte in der VSB“ bildete. In ihrer Sitzung vom 5. 9. 1951 beschloß sie die Neugründung einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft. Die konstituierende Sitzung der „Berliner Röntgen-Gesellschaft e. V.“ fand am 7.11.1951 im Restaurant Feicht am Kurfürstendamm 193 statt. Zum 1. Vorsitzenden wurde Prof. Dr. Julius ROTHER, zum 2. Vorsitzenden Prof. Dr. Heinz OESER gewählt.
In den Statuten definierte die „Berliner Röntgen-Gesellschaft“ als ihre Aufgabe, „die fachlichen und Standesinteressen der röntgenologisch tätigen Ärzte zu vertreten“. Als wissenschaftliche Gesellschaft knüpft sie damit an die Tradition der Röntgen-Vereinigung an, ist jedoch im Unterschied zu dieser eine ärztliche Fachgesellschaft, in der Nicht-Fachärzte und Nicht-Mediziner nur als außerordentliche Mitglieder aufgenommen werden. Am 27 11.1951 fand die erste wissenschaftliche Sitzung statt, auf der Prof. Dr. H. D. MÜLLER aus Boston über „die Aufgaben der Röntgenologie in der Geburtshilfe“ sprach. Die 6 Sitzungen des ersten Vereinsjahres wurden im Krankenhaus Westend, im Krankenhaus Moabit und im St. Gertrauden Krankenhaus abgehalten. In der Folge kristallisierte sich das Krankenhaus Westend jedoch immer mehr als Sitzungsort heraus.
Am Ende des ersten Vereinsjahres zählte die Gesellschaft 112 Mitglieder, 67 ordentliche und 45 außerordentliche Mitglieder, davon waren 38 Teilröntgenologen und 7 Röntgenphysiker. Damit gehörten ihr nahezu alle Fachärzte für Radiologie Westberlins an. Zudem waren zahlreiche Ärzte aus dem Ostsektor Berlins und der DDR als Gäste regelmäßig zu den Sitzungen eingeladen. Dieser wissenschaftliche Gedankenaustausch wurde durch den Bau der Mauer abrupt unterbrochen. Seit der Gründung hatte die Mitgliederzahl langsam zugenommen, ging nach dem Mauerbau leicht zurück und stieg ab den Jahren 1967/68 erneut an. Anfang der achtziger Jahre, mit dem Beginn des technischen Aufschwungs in der Radiologie, verzeichnete die Gesellschaft einen sprunghaften Anstieg der Mitgliederzahl. Im Jahre 1989 zählte sie 322 Mitglieder.
Ähnlich wie in den westlichen Besatzungszonen galt auch in der sowjetischen Besatzungszone ein Verbot der alten Vereine. Jedoch setzten bereits vor 1950 Bemühungen ein, neue medizinische Gesellschaften zu gründen. Insbesondere der Physiker Prof. Walter FRIEDRICH, der frühere Vorsitzende der Berliner Röntgengesellschaft, bemühte sich, unterstützt von Prof. Wilhelm LAHM, Chemnitz/Braunschweig (später Ehrenmitglied der GMR), eine neue Röntgengesellschaft zu gründen. Gedacht war an eine territoriale Gesellschaft verschiedener Länder unter Einschluß Berlins. Keines der Modelle – Norddeutsche Röntgengesellschaft mit Berlin und dem nördlichen DDR-Gebiet, östliche Länder mit Westberlin – konnte realisiert werden. Die politische Entwicklung lief anders, aber auch die Vorstellungen in der Ärzteschaft gingen weit auseinander. Schließlich wurden ab 1953 im Osten eigenständige medizinische Gesellschaften gegründet, 1954 die mehrfach umbenannte Gesellschaft für medizinische Radiologie.
Die Stellung dieser Gesellschaften war im Statut des Ministeriums für Gesundheitswesen verankert, und so waren sie die jeweils wichtigste (und meist auch einzige) und einflußreiche Vertretung des Fachgebietes in allen fachlichen Fragen.
Gründungspräsidenten waren Walter FRIEDRICH, der sogleich Ehrenvorsitzender wurde und Fritz GIETZELT, beide Humboldt-Universität. Aus den 74 Gründungsmitgliedern wurden im Laufe der Jahre fast 1 800 Mitglieder, von denen über 450 auf Berlin und Brandenburg entfielen.
Nach dem Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 erfolgte ein erneuter Zuwachs in die „Berliner Röntgen-Gesellschaft e. V.“ aus dem Ostteil Berlins sowie aus dem angrenzenden Land Brandenburg. Um dieser veränderten Situation Rechnung zu tragen und gleichzeitig die historische Verbundenheit mit der Röntgen-Vereinigung zu betonen, wurde 1991 der Name umgeändert in „Berliner Röntgengesellschaft – Röntgenvereinigung zu Berlin und Brandenburg“.
Nach dem Umzug vom Westend-Krankenhaus zum Universitätsklinkum Rudolf Virchow, Standort Charlottenburg, entschieden die Mitglieder der Berliner Röntgengesellschaft, den Sitzungsort an die Charité zu verlegen, dort finden die wissenschaftlichen Sitzungen seit Februar 1995 statt. Ende 1996 zählt die Berliner Röntgengesellschaft 420 Mitglieder.
Heinrich Weder / Wilfried Angerstein